Foto: Martina Gasser

group exhibition
DER KRIEG IM KOPF
DER LETZTE TANZ DES VASLAV NIJINSKY

Monat der Fotografie 2010 - Masc Foundation (Wien)
05.-20.11.10
photographs, installation, acoustic minidrama


Martina Gasser - Fotografie, Installation, Konzept, Script für akustisches Minidrama (Hörspiel)
Christoph Theiler - Aufnahme, Mischung, Komposition (Hörspiel)
Franz Schuster - Sprecher, Fotomodel
Vaslav Nijinsky - Text ("Nijinsky Tagebücher", Frankfurt am Main und Leipzig- 1998)


Link zu den Originalfotografien

Foto: Martina Gasser; Vaslav Nijinsky; Masc Foundation
Ausgangspunkt für diese multimediale Arbeit sind die Tagebücher des Ausnahmetänzers Vaslav Nijinsky und dessen letzter öffentlicher Auftritt am 19. Jänner 1919 in St. Moritz in der Schweiz.
Der damals erst 28jährige Nijinsky, bereits schwer gezeichnet von einer Schizophrenie-Erkrankung, trat vor ca. 200 Gästen im "Hotel Suvretta" auf und schockierte und verängstigte das Publikum. Nijinsky verharrte für lange Zeit bewegungslos auf einem Stuhl, fixierte das Publikum und sprang dann mit den Worten "Jetzt werde ich euch den Krieg tanzen, mit seinem Leid, seiner Zerstörung, seinem Tod" auf und tanzte ein letztes Mal. Nach Schilderungen von Zeitzeugen tanzte er brillant und erschreckend zugleich, stürzte immer wieder und brach dann unvermittelt ab.

Die Fotoarbeit interpretiert den zur Unendlichkeit ausgedehnten Moment des Verharrens auf dem Stuhl, den Moment der äußersten Anspannung im NICHT-Tanzen, als Vorwegnahme der spätereren Erstarrung Nijinskys in Katatonie und als subversiven Akt gegenüber den Begehrlichkeiten
des Publikums.

Thematisiert wird der innere Kampf der schon gespaltenen Persönlichkeit Nijinskys. Das bedrohliche zweite ICH wird im Hintergrund als schwarzer Schatten immer größer und beherrschender.
Nijinsky sexualisierte den männlichen Körper im Tanz, auch durch seine hautengen Kostüme, und verursachte damit veritable Skandale. In Mallarmés Werk "Der Nachmittag eines Fauns" (Musik: Debussy, Choreographie: Nijinsky 1912) trat Nijinsky in einem goldenen Kostüm auf. Das "Metallkostüm" der Fotoarbeit steht symbolisch für dieses und ist auch als undurchlässiger "Panzer" zu sehen, ein Schutz und eine Art Blendung des Publikums durch den Künstler.

Der Besucher betritt mit der Installation in gewissem Sinn das Innere von Nijinskys Kopf, in welchem sich der "Krieg" gegen sich selbst und der Nachhall der Schlachten des ersten Weltkrieges abbilden. Unterstützt wird die Arbeit durch ein akustisches Minidrama, eine Collage aus Nijinsky Zitaten, Schlachtenlärm und Kompositionen von Christoph Theiler, die als musikalische Zitate auf Strawinskys "Sacre du printemps" verstanden werden können.

Der
erste Raum, den der/die BesucherIn betritt, thematisiert Nijinskys Tagebücher und den manischen Prozess des Schreibens. Die Fliesen des Raumes sind über und über mit Zitaten aus den Tagebüchern überzogen. In der Ecke steht ein kleiner Schreibtisch mit Tintenfass und Füllfeder sowie einem begonnenen Schreibheft.


Foto links: Der Krieg im Kopf- Raum 1
Installation (verschiedene Materialien, Textzitate)


Mit dem zweiten Raum betritt der/die BesucherIn einen mit rotem Licht ausgeleuchteten Raum, in dem, eine Art Kubus bildend, großformatige Portrait-Fotografien hängen. Dieser Raum widmet sich dem letzten Auftritt Nijinskys in St. Moritz. Der Raum ist mit dem akustischen Minidrama (Hörspiel) beschallt. Die Dramatik des Hörspiels ermöglicht dem/der BesucherIn, sich in die VER-RÜCKTEN Kopfwelten des berühmten Tänzers einzufühlen.

Foto: Martina Gasser; Vaslav Nijinsky; Masc Foundation
Foto: Der Krieg im Kopf- Raum 2
Installation (Piakatdrucke 2 x 2 m, Hörspiel, rotes Licht)

Nijinsky beginnt seine Tagebücher kurz nach seinem letzten Auftritt in St. Moritz. Innerhalb eines kurzen Zeitraums von wenigen Wochen schreibt er in einer Art Manie seine Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Betrachtungen nieder. Die Aufzeichnungen enden mit der Einlieferung Nijinskys in eine geschlossene Anstalt. Der Stil ist kurz, fast stakkatoartig, präzise und verblüfft durch seine messerscharfen und originellen Schlussfolgerungen.
Eine VER-rückte Logik, der man sich schwer entziehen kann.

Foto: Martina Gasser; Vaslav Nijinsky; Masc Foundation  Foto: Martina Gasser; Vaslav Nijinsky; Masc Foundation
Fotos:
Der Krieg im Kopf- Raum 1
Installation (verschiedene Materialien, Textzitate)


Der/die LeserIn erlebt Nijinskys immer stärker werdende Ängste und Verunsicherungen. Er entfremdet sich zunehmend seiner Familie und der ihn umgebenden Welt, die er als bedrohlich und dumpf empfindet. Nijinsky transzendiert in diesen Wochen zunehmend zu Gott und betrachtet sich selbst schließlich von außen. Auf den letzten Seiten, als bereits klar ist, dass er einer Einlieferung in eine psychiatrische Klinik nicht wird entgehen können, bittet Nijinsky noch eindringlich um Verständnis und darum, vor ihm keine Angst zu haben.

Foto: Martina Gasser; Vaslav Nijinsky; Masc Foundation  Foto: Martina Gasser; Vaslav Nijinsky; Masc Foundation
Fotos: Der Krieg im Kopf- Raum 1
Installation (verschiedene Materialien, Textzitate)


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